shifting reality

Es gibt kein richtiges Lesen im valschen!

Auf dem Gendarmenmarkt vor 5 Jahren …

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Gestern vor 5 Jahren trat der damalige Bundesschröder im Bunde mit dem damaligen VW-Vorstand PeterHartz vor die Bundespresse und verkündete die Neue Bundesrepublik: Nach der  brutalsmöglichen Beschneidung des Asylrechtsparagraphen der  zweite, fundamentale  Abbau dessen, was an der „alten“ Republik ganz in Ordnung war. Ausgerechnet am Gendarmenmarkt  verkündte er das, kein Wunder, gehört ja auch in die Logik der Polizei-Regime, die Foucault so eindrucksvoll beschrieben hat, nicht umsonst machten kurz darauf TV-Sender Hatz auf „Sozialbetrüger“ und individualisierten diese so.

Verkündigt wurde, was als Hartz IV als größtes Debakel der Geschichte der Sozialdemokratie, des Sozialstaates und als Abschied von solidarischen Prinzipien in die Geschichte eingehen wird – statt Arbeitslosigkeit wurden von nun an die Arbeitslosen bekämpft, ein Slogan, der mal tatsächlich zutrifft.

Nicht zufällig höhnt man nun wieder auf Seite der L-Gruppen angesichts der fadenscheinigen Rufe des Münte nach einer Hartz IV-Erhöhung  wegen steigender Lebensmittelpreise und belegt, wo „Sozialneid“ wirklich stattfindet – diesem „Sozialschrott“ hat man gefälligst in den Arsch zu treten, so der Subtext, und für so einen Dreck will ich schon gar nix zahlen! Um dann von misesche Eigenverantwortungsdiskurse anzustimmen wie ein Prediger auf der Kanzel eines Umerziehungslagers.

Und dann blättert man abends im ansonsten zutiefst verehrten Kant herum und findet eine Passage, die den protestantischen Geist der Agitateure von rechts deutlich werden läßt:

„Ein dritter findet in sich ein Talent, welches vermittelst einiger Kultur ihn zu einem in allerlei Absicht brauchbaren Menschen machen könnte. Er sieht sich aber in bequemen Umständen, und zieht vor, lieber dem Vergnügen nachzuhängen, als sich mit Erweiterung und Verbesserung seiner glücklichen Naturanlagen zu bemühen. Nch frägt er aber: oh, außer der Übereinstimmung, die seine Maxime der Verwahrlosung seiner Naturgaben mit seinem Hange zur Ergötzlichkeit an sich hat, sie auch mit dem, was man Pflicht nennnt, übereinstimme. Da sieht man es nun, daß zwar eine Natur nach einem solchen allgemeinen Gesetze immer noch bestehen könne, obgleich der Mensch (so wie die Südsee-Einwohner) sein Talent rosten ließe, und sein Leib bloß auf Müßiggang, Ergötzlichkeit, Fortpflanzung, mit einem Wort, auf Genuß zu verwenden bedacht wäre, (…).“

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, BA 55

Es geht nicht um Ökonomie, es geht um vormoderne Moral – ist dieses doch eine der Passagen in der Moralbegründung Kants, wo er hinter sein eigenes Projekt zurückfällt, nämlich Moral nicht mehr als Frage nach dem guten und dem richtigen Leben, sondern als jene der vernunftgeleiteten Kooperation zu begründen.

Ich plädiere im Gegenezug dazu  dafür, den Genuß den Arbeitslosen überhaupt erst wirklich zu ermöglichen!  Und lege dafür bei Steuern und Abgaben dafür gerne noch ’ne Schippe drauf! Und insbesondere Liberale sollte man dazu auch zwingen, finde ich. Wenn die alle anderen dazu zwingen wollen, ihren Eigentumsschutz zu bezahlen, dann gibt’s ja keinen Grund mehr gegen Zwang.

All das, damit sie spüren, welche Drangsalirerei sie mit ihrer Agitation seit Lambsdorff etablieren halfen … nur jene nicht, die für ein bedingungsloses Grundeinkommen eintreten. Denen stimme ich zum 5jährgen Jubiläum nunmehr einmal mehr zu.

Written by momorulez

14. August 2007 um 7:15

Veröffentlicht in Ökonomie

31 Antworten

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  1. Danke für diesen Beitrag. Schröder, der große Neoconnarde, hatte damit übrigens schon in seinen ersten Kanzlerjahren begonnen, als er verkpndete, es gäbe kein Recht auf Faulheit und damit einen Klassiker der Linken, Marxens Schwiegersohn Paul Lafargue, der ein Recht auf Faulheit als Antwort auf das „verderbliche Dogma“ des Rechts auf Arbeit formuliert hatte glatt umgedreht.

    che2001

    14. August 2007 at 8:54

  2. Ich finde, dass Kant im Großen und Ganzen richtig lag: Zivilisation besteht nun mal in einem System gegenseitiger Abhängigkeiten und damit einhergehender Verpflichtungen – und zwar jede Zivilisation (auch die der „Südseeinsulaner“). Wenn in einer Gesellschaft oder auch nur einer „Subkultur“ der Begriff „Pflichterfüllung“ in Verruf geraten ist, ist es Zeit, betreffender Gesellschaft oder Subkultur den Rücken zuzukehren. (Auch wenn man bei einigen Subkulturen damit das Risiko eingeht, ein Messer in den Rücken zu bekommen.) Selbst die „Ganovenehre“, die es in Teilbereichen der kriminellen Unterwelt gibt, stellt ein System der Pflichterfüllung da: Man macht nicht, wozu man gerade Lust hat, sondern macht das, zudem man sich verpflichtet sieht. Aber „gesellschaftliche Pflichterfüllung“ ist ein System auf Gegenseitigkeit. Ein System, in der die eine Seite erheblich mehr Pflichten als die andere hat, ist Tyrannei.

    Spaß ist eine Form der Funktionslust – am deutlichsten zu erkennen im Sport: die Freude an der Beherrschung des eigenen Körpers. Aber auch beim Sex – schlechter Sex ist der, bei den „es“ irgendwie nicht geklappt hat.
    Von daher wäre ein Zustand ideal, in dem die Arbeit Spaß macht – Spaß und Leistung schließen sich nicht aus, im Gegenteil, sie bedingen sich. Warum Kant, dem geistige Höchstleistungen große Freunde bereitete, seine Aussagen zur Pflicht nicht dahingehend erweiterte, das Pflichterfüllung dann am besten gelingt, wenn die Pflicht Spaß macht, liegt wohl daran, dass er Kind seines sozialen Umfeldes war. (Protestantisch – was vielleicht in der Folge von Weber überbewertet wird, Lutheraner sind traditionell weniger „lustfeindlich“ als Calvinisten, Methodisten, Baptisten. Die „einfache Herkunft“ wird viel ausgemacht haben: wer schon als Kind gelernt hat, dass „man“ nur durch sorgfältige Planung und durch Lustverzicht „über die Runden kommt“, der bleibt oft auch als Erwachsener ein asketische „Pflichtmensch“.)

    Damit wäre wir in der Gegenwart, bei Harz IV bzw. dem ALG II angekommen: Der gern in gut-bürgerlichen Kreisen (und gut-bürgerlichen Medien) geäußerte Verdacht, jene, die mit ALG II „nicht über die Runden kommen“ hätten die ober erwähnten Verhaltensweisen „kleiner Leute“ – sorgfältige Ausgabenplanung, Disziplin, Lustverzicht – eben nicht richtig gelernt, haben natürlich recht. Aber sie übersehen, dass diese Tugenden aus der Notwendigkeit geboren wurden – und dass es von einem hohem Maß an Selbstgerechtigkeit zeugt, anderen Menschen ohne Not diesen Lebensstil zuzumuten. Ich vermute ein uneingestandenes sozialdarwinistisches Modell dahinter: Wer dazu befähigt ist, wird kurz über lang aus der „vorübergehenden Notlage“ einen Ausweg finden – mittels eben jener „Arme-Leute-Disziplin“, die auch die Fähigkeit einschließt, mit wenig „über die Runden zu kommen“. Wer die Fähigkeit zur Selbstdisziplin und Lustverzicht nicht „mitbringt“ oder sie sich nicht aneignet, der hat es eben nicht besser verdient, wenn er z. B. obdachlos wird.
    Vielleicht steckt hinter dem Harz-IV-Slogan „fordern und fördern“ ein erzieherisches Programm (was ich eher nicht annehme: ich vermute vor allem Chaos und Inkompetenz dahinter). Erziehungsziel für die, die es „nicht schaffen“: der seinen ärmliches Alltag perfekt organisierende Sub-Proletarier. So sehr mit dem „über die Runden kommen“ beschäftigt, dass zur Aufruhr keine Energie mehr bleibt. Für die, die „es schaffen“: bleibende Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes – daher hohe Bereitschaft, im Falle der Frustration nicht einfach alles hinzuschmeißen und zu kündigen. Also: mehr Disziplin, mehr Zuverlässigkeit.

    Was die „Münte-Debatte“ angeht: dem alten Parteitaktiker trau ich nicht von 12 bis Mittag. Es stimmt schon: allgemein gestiegene Lebenshaltungskosten rechtfertigen höhere Lohnersatzleistungen – damit es „zum Leben reicht“. (ALG II ist ohnehin sehr knapp berechnet.) Das Gegenargument, dass die niedrigeren Telefonkosten ja auch nicht zu niedrigere Lohnersatzleistungen führen, zieht nicht, da die Telefonkosten im „monatlichen Warenkorb“ eines typischen, nicht „handysüchtigen“ ALG II-Empfängers einen wesentlich kleineren Anteil haben als die Ausgaben für Grundnahrungsmittel. Nur wenn Nahrungsmittelpreise, Strompreise, Fahrkarten, Kleidung usw. usw., also die Gesamtheit der zum „Warenkorb“ gehörenden Güter billiger werden, wäre es legitim, die Frage nach der Senkung von Lohnersatzleistungen zu stellen.

    MartinM

    14. August 2007 at 12:40

  3. @Martin:

    Bzgl. des Kant-Zitates besteht mein Problem neben dem Zerrbild der Südseebewohner in den „Pflichten gegenüber sich selbst“, die’s meiner Ansicht nach nicht gibt. Da können Liberale noch so lange drüber schreiben, nö, ist nich‘, gibt’s nicht.

    Nicht jedoch hinsichtlich des Pflicht-Begriffes selbst habe ich Vorbehalte, der ja bei Kant einfach nur die vernünftige Willenbildung beschreibt. Aber ich widerspreche darin, daß er Genüsse selbst als nicht pflichtgemäß behandelt, dabei widersprechen die nicht dem kategorischen Imperativ, die Gelüste, der ja auch „nur“ ein Prinzip vernünftiger Willensbildung IST.

    Systematisch taucht da eine Vorstellung auf, daß Neigungen eben dem Kausalitätsgeschehen der Natur unterworfen seien, „affiziert sein durch sinnliche Begierden“, und man nur frei handeln könne, wenn man sich nicht affizieren ließe, und das halte ich schon auch für Humbug.

    Nicht jedoch die Vorstellung, daß man den Anderen nicht als Mittel, sondern als Zweck an sich behandeln solle, die finde ich weiterhin großartig, das betrifft dann aber schon Interpersonalität.

    Ansonsten ganz viel Zustimmung, bis auf den Punkt, daß ich Ches Recht auf Faulheit aber sowas von dezidiert zustimmen würde. Ich halte das für intersubjektiv geboten, dieses Recht zuzugestehen.

    momorulez

    14. August 2007 at 13:26

  4. Im Übrigen werden die Hartz IVer am Besten durchkommen, die sich mit Schwarzarbeit, Betrügereien und Verticken so perfekt organisieren, dass sie keiner erwischt, und die kein schlechtes Gewissen dabei haben, sondern das als ihr natürliches Recht und ihre Rache an der Gesellschaft bezeichnen. So hat die moralische Ökonomie der Unterschichten noch immer funktioniert, und zwar weltweit.

    che2001

    14. August 2007 at 16:29

  5. Die der Oberschichten doch auch?

    momorulez

    14. August 2007 at 17:53

  6. Das ist ja bemerkenswert. Ein SPD-Kanzler und sein Kumpel beschließen die Hartz-Reformen und die Wegbereiter sollen die Liberalen sein, weil sie so einen Druck auf die Arbeitslosen ausübten, ja diese bekämpfen wollten. Was für ein Quatsch. Die Liberalen wollten nicht Hartz, sondern im Grunde die Privatisierung der Arbeitsplatzvermittlung. Dass es mit der FDP auch zu Sozialabbau gekommen wäre, will ich gar nicht bestreiten, aber Du tust ja gerade so, als ginge es nur um das Geld, das in der Tasche des Arbeitslosen landet. Es geht darum, die Arbeitslosigkeit nicht zu verwalten, sondern Arbeitsplätze zu vermitteln. Jetzt kannst Du ja sagen, dass dies unter der FDP ggf. mit der Union auch nicht besser gelungen wäre und dass die auch nicht mehr Arbeitsplätze anzubieten hätten, das ist dann Ansichtssache. Ändert aber nichts daran, dass die FDP die ganze Arbeitsagentursache ganz anders angehen würde, genauso wie in anderen Bereichen.

    Natürlich spielt die Höhe der Arbeitslosenunterstützung auch eine Rolle. Dass es auch auf die Betreuung ankommt — und das haben bei Hartz IV nicht die Liberalen verzapft — zeigt das Beispiel hier: http://www.stern.de/politik/panorama/:Trag%F6die-Zu-Hause/587230.html

    NUB

    14. August 2007 at 18:30

  7. PS: Das Klischee oder die Diffamierung, ein Arbeitsloser wolle gar nicht arbeiten, ist viel mehr Bestandteil einer konservativ-bürgerlichen Anschauung, aber querbeet zu finden; die liberale Position (ob Ihr sie ablehnt, ist dabei jetzt egal) ist die, dass die den Bürger entmündigende Politik mit zu viel Bürokratie, zu viel Gesetzgebung, einem zu stark regulierten Arbeitsmarkt, zu hohen Gesamtabgaben u.a. für die Massenarbeitslosigkeit verantwortlich ist und dass der Staat in Bildung investieren, statt subventionieren sollte. Die liberale Position ist jedenfalls nicht die, sich auf die Arbeitslosen einzuschießen, ich weiß auch nicht, wie Du auf sowas kommst.

    NUB

    14. August 2007 at 18:36

  8. @NUB:

    Ja, wasch Du nur die Hände in der Unschuld der Idealitäten, wie Liberale das ja immer machen – das ist eure Diskursstreiberei, die ein Gerhard Scröder da schlicht adaptiert hat, und sowas kommt bei all eueren Diskursen IMMER hinten raus.

    Der Typ war doch kein Sozialdemokrat, sondern Technokrat, eben das, was ihr, Hayek ignorierend, auch immer dann seid, wenn ihr politische Konzepte vertretet und am Reißbrett die Idealität eurer Freihandelsgesellschaft konzipiert.

    Und wenn Du „Betreuung“ forderst, biste doch schon mitten im Thema. Diese ganze Kontrollirerei ist doch das eklige. Dann sollte man lieber das Geld, was die Kontrolleure verdienen, an die Empfänger überweisen und die ansonsten dann, wen die das wollen, in Ruhe lassen.

    Du glaubst doch nicht im ernst daran, daß auch nur IRGENDWO IRGENDWAS dereguliert würde, wenn ihr das fordert. Nein, es folgen IMMER aufgrund EURER Forderungen neue Regularien, die auf dem Rücken des jeweils nächstschwächeren Gliedes ausgetragen werden, das ist doch das Prinzip der freihandelsorientierten Globalisierung: Wer nicht mitspielt, wird reguliert, pardon, sanktioniert, da könnt ihr euch noch so sehr an eurer Prinzipienethik ergötzen und euch auf eure „Eigenverantwortung“ einen runterholen. Mehr geht ja auch nicht, eigenverantwortlich, als eben masturbieren. Das ist doch theoretische Onanie.

    Nimm mal das Stichwort von der „Verantwortungsethik“ etwas ernster.

    Wie ich auf sowas komme? Indem ich eure Blogs lese.

    Abgesehen davon fordere ich das Recht, nicht arbeiten zu wollen. Dein PS geht zur Hälfte an den imaginierten Linken, nicht an mich. Wie ich ja auch gerade mit dem idealtypischen Liberalen kommuniziere 😉 … aber Weber war halt cooler als Friedmann, theoretisch.

    momorulez

    14. August 2007 at 19:52

  9. das ist eure Diskursstreiberei, die ein Gerhard Scröder da schlicht adaptiert hat, und sowas kommt bei all eueren Diskursen IMMER hinten raus.Der Typ war doch kein Sozialdemokrat, sondern Technokrat

    Schröder war ein Opportunist und teilweise Populist, jetzt ist er ja Manager der Russen. Als sich die Leute über entlassene Sexualstraftäter aufregten, sprang er mit auf den „für immer Wegschließen“-Zug auf, geändert hat sich natürlich gar nix, die rechtsstaatlichen Verfahren arbeiten ja nicht auf Zuruf irgendwelcher wichtigtuerischer Politiker, die gerne gewählt werden wollen. Und das hat er sich nicht bei „uns“ abgeschaut, sondern dass haben Politiker schon immer mehr oder weniger betrieben. Wenn schon, hat er es sich bei Schill, der NPD oder bei der Linkspartei abgeschaut, bei den Parteien, die sich eben nicht auf die Wirklichkeit und aus ihr abgeleiteten Reaktionen beziehen, sondern auf Wunschvorstellungen, mit denen man die Menschen ködert.

    Und wenn Du “Betreuung” forderst, biste doch schon mitten im Thema. Diese ganze Kontrollirerei ist doch das eklige. Dann sollte man lieber das Geld, was die Kontrolleure verdienen, an die Empfänger überweisen und die ansonsten dann, wen die das wollen, in Ruhe lassen.

    Ja, weil die Kontrolleure seit Hartz fast nur noch eingesetzt werden, um Betrüger aufzuspüren. Mit der Sozialhilfe gehörte aber auch ein Besuch dazu, um nach dem Rechten zu sehen und ggf. zu helfen, wenn jemand nicht zurecht kommt. Seit Hartz schickt das Amt Vordrucke, wer darauf nicht angemessen reagiert: Pech. Der Mensch als Nummer. Was soll daran liberal sein? Das ist übelster Bürokratiewahn.

    Nein, es folgen IMMER aufgrund EURER Forderungen neue Regularien, die auf dem Rücken des jeweils nächstschwächeren Gliedes ausgetragen werden, das ist doch das Prinzip der freihandelsorientierten Globalisierung: Wer nicht mitspielt, wird reguliert, pardon, sanktioniert, da könnt ihr euch noch so sehr an eurer Prinzipienethik ergötzen und euch auf eure “Eigenverantwortung” einen runterholen.

    Äh, was genau schlägst Du jetzt vor? Ist das so eine Betrachtung vom Philosophenthron aus? Du weißt, dass ich Deine Philosophiererei durchaus auch bewundere, aber in der praktischen Politik musst Du Dich zwischen A und B entscheiden, vielleicht noch C. Da gibt es Zwänge, etwa die Haushaltslage, macht man Schulden, muss man irgendwann die Zinsen zahlen u.s.w. Wie würdest Du das denn anpacken, wenn Du meinst, es sei mit der Idee getan, etwas für die Schwächeren zu tun? Und was heißt überhaupt „auf eure Eigenverantwortung einen runterholen“?

    Es gibt ganz unterschiedliche benachteiligte Menschen in diesem Land. Es gibt auch solche, die sich abgefunden haben und mit dem Bier in der Hand den Tag verbringen, obwohl sie vielleicht doch arbeiten könnten, dann gibt es die ehrlich bemühten Leute, die wirklich nix Vernünftiges finden, dann gibt es Leute, die krank sind u.v.a.m. Wenn Du nicht willst, dass die alle über einen Kamm geschert werden, dann fange doch selber gar nicht erst damit an. Natürlich gehört in einigen Fällen auch die Motivation und Stärkung der Eigenverantwortung dazu. Und woher willst Du überhaupt wissen, wie gruselig eine liberale Politik in Deutschland wäre, wo die Liberalen immer nur als kleiner Koalitionspartner ein bis zwei wichtige Ministerien und etwas Einfluss bekamen?

    Außerdem behaupte ich gar nicht, dass die FDP die ideale liberale Partei ist. An anderer Stelle habe ich schon geschrieben, dass mich der Lobbyismus und z.T. auch Populismus stört, der in dieser Partei vorkommt, dass sie schon zu sehr ins etablierte Parteiensystem hineingewachsen ist. Wie und an was willst Du festmachen, dass liberale Ideen schuld seien, wenn Du überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür hast, wie sie in Aktion aussehen, außer halluzinierte Schuldzuweisungen, was angeblich liberale Konzepte seien, etwa HartzIV? Von der völlig bekloppten Verwendung des Begriffes „Neoliberal“ ganz abgesehen, die Du uns ja dankenswerterweise i.d.R. ersparst.

    NUB

    14. August 2007 at 20:11

  10. Übrigens noch was zur sog. Verantwortungsethik. Wie wollen sich die Wähler von Rot und Grün denn dann herausreden ? Sollen sie sagen: Jaaa, also eigentlich wollten wir mit Schröder und Rot/Grün eine linke Politik unterstützen, dafür haben wir unsere Stimme abgegeben, wir konnten ja nicht ahnen, dass es eine FDP-Politik (lach) wurde!?

    Überleg doch mal. Die besten Absichten und im Ergebnis kommt Mist heraus, aber keiner will’s gewesen sein? Und die Liberalen, die gar nicht regiert haben, sollen über Verantwortungsethik nachdenken?

    NUB

    14. August 2007 at 21:33

  11. Der Begriff „neoliberal“ hat im wirtschafts- sozial-und entwicklungspolitischem Kontext zunächst mal nichts mit dem Programm liberaler Parteien zu tun, sondern damit, dass eine keynesianische oder korporatistische Wirtschaftsweise durch die sog.“Angebotsökonomie“ ersetzt wurde/werden sollte, die sich durch die Faktoren „Deregulierung“ (Abbau von Markthemmnissen durch Abschaffung von Schutzzöllen, Lohn- und Preisabsprachen, Mindestlöhnen und Subventionen, Arbeitsplatzgarantien und Kündigungsschutz) und „Monetarismus“ (Stärkung der nationalen Währung durch Austerität (Sparmaßnahmen im Sinne einer Entschuldung der Staatskassen)und radikale Orientierung der Wirtschaft auf Welthandelskompatiblität auszeichnet. In diesem Kontext gibt es dann nach Foucault eine „Wahrheitspolitik“, nach der ein „Diskurs der Macht“ stattfindet: Gesellschaftliche Konflikte, Machtverhältnisse, Hierarchien werden nicht mehr als historische Entwicklungen betrachtet, sondern ganz ahistorisch nur noch nach ihrer Nützlichkeit für das an Deregulierung und Monetarismus festgemachte neoliberale Konzept begriffen.

    che2001

    14. August 2007 at 21:53

  12. Sowas versteht der doch nicht, Che …

    loellie

    15. August 2007 at 5:56

  13. @NUB:

    „Ist das so eine Betrachtung vom Philosophenthron aus?“

    Kannst Du Dir vorstellen, daß ich an dem Punkt eigentlich keine Lust mehr habe, noch weiterzukommunzieren? Diese Retourlutsche ist so dermaßen doof, daß ich mir etwas Sorgen um Deine kognitiven Fähigkeiten mache …

    Das genau die Nummer immer von Leuten kommt, die irgendwelchen formalisierten Großtheoretikr hnterherplappern, ist Dir noch nicht aufgefallen? Denkste, ich verbringe meine Tage mit Philosophieren???

    Da ich davon ausgehe, daß es eine Abschaffung von Politik in absehbarer Zeit nicht geben wird und aktuell Politik im von Che skizzierten Sinne stattfindet und all das, was Du schreibst, ob Du willst oder nicht, irgendwelche „Freihandel“ gewährenen Kontroll- und Regulierungsinstanzen z.B. auf EU-Ebene nach sich sich zieht, plädiere ich mit Sen für eine global grundsicherungsorientierte Politik ohne aufgeplusterte Kontrollinstanzen und einen konsequenten Schutz des nächstschwächeren Glieds in ökomonomischen Verkettungen.

    „Der Mensch als Nummer. Was soll daran liberal sein? Das ist übelster Bürokratiewahn.“

    Nein, das ist ebeso das Ergebnis neoliberaler Quantifizierung und Formalisierung. Individualität könnt ihr doch noch nicht mal denken mit euren Begriffsapparaten.

    Und zur FDP: Die ist völlig schnurz, siehe Che. Es geht um Weltbilder. Und mir war’s wie vielen anderen tatsächlich nicht klr, daß Schröder diese Politik machen würde. Ich habe das auch als zutiefst undemokratisch empfunden, weil’s offenkundig war, daß das Wählerwillen nicht mehr entsprach. Und dann habe ich ihn auch nicht mehr gewählt.

    momorulez

    15. August 2007 at 6:50

  14. Ihr habt schon Recht, wenn Ihr schreibt, dass die Ideen von Freihandel in der realen Politik ganz anders umgesetzt werden als angedacht. Ein Blick auf die EU zeigt Euch aber auch, dass ziemlich viele Sozialisten dort vertreten sind, oder was sich dafür hält. Die EU ist oft recht protektionistisch, beispielsweise ist der Export von Hähnchen aus der EU nach Afrika bekannt geworden, was die dortigen hähnchenproduzierenden Bauern ruiniert. Diese Politik des Protektionismus ist aber u.a. deshalb möglich, weil Populisten, und da reihe ich auch den Lafontaine ein, gegen Freihandel wettern und die Angst der Leute vor fremden Arbeitskräften und Arbeitsplatzverlust mit schüren. Die Wirtschaft und ihre Lobbyisten hat an dieser Stelle aber auch selten einen guten Job gemacht, werden doch Instrumente der Angst und des aufgebauten Drucks hier wie dort eingesetzt.

    plädiere ich mit Sen für eine global grundsicherungsorientierte Politik ohne aufgeplusterte Kontrollinstanzen und einen konsequenten Schutz des nächstschwächeren Glieds in ökomonomischen Verkettungen

    Wie willst Du so etwas durchsetzen? China z.B. möchte am Wohlstand teilhaben, indem sie mit Europa und den USA konkurrieren, nicht nur kooperieren. Die angebotenen Produkte sollen in der Herstellung so billig sein, dass andere Märkte nicht widerstehen können, würde China sich auf irgendwelche Vereinbarungen einlassen, die Mindestlöhne und Mindeststandards bedeuten, würde es mit weniger Wachstum leben müssen. Klar kann bei dieser Ausgestaltung die Blase auch mal platzen, ich rede aber von Durchsetzbarkeit in der wirklichen Politik.

    Globalisierung bedeutet nicht nur, dass westliche Unternehmen global agieren und woanders investieren, es bedeutet auch, dass andere Länder etwas vom Kuchen abhaben wollen. Protektionismus ist eine Methode zu verhindern, dass andere allzuviel abbekommen, aggressive Preis-Politik und auch solche Dinge wie Produktfälschungen sind gewissermaßen die Gegenmaßnahme.

    Welche Partei ist dann für Dich überhaupt noch wählbar, welche Partei vertritt Dich in diesem Anliegen für globale Grundsicherung? Und vor allem: Hat jemand konkrete Ansätze, wie das gehen soll und nicht nur die Forderung?

    @Che

    Schönen Dank für die gute Erklärung zu „Neoliberal“.

    NUB

    15. August 2007 at 7:24

  15. (Zu dem Hähnchenbeispiel: Es gibt Agrarsubventionen der EU für die Exporte; Liberale sind bekanntlich gegen derartige Subventionen.)

    NUB

    15. August 2007 at 7:32

  16. @NUB:

    Na, wenn das daran liegt, daß überall „Sozialisten“ sitzen, die nicht auf die schlauen Liberalen hören wollen, dann ist Deine Welt ja eigentlich völlig in Ordnung.

    Ansonsten finde ich den europäischen Protektionismus auch nicht so dolle; wenn ich befreundeten Bloggern glauben darf, sind die Subventionen allerdings eher gering, wenn Du’s auf den einzelnen Hof umlegst.

    Wie ich das „durchsetzen“ will? Ich habe solche machtvollen Instrumentarien wie ihr mit euren Welthandelkomissionen und wie die alle heißen nicht und will die auch gar nicht haben, und kann nur auf Überzeugung setzen …. und bin z.B. im Falle Chinas sicher, daß es dort in absehbarer Zeit neue, soziale Bewegungen geben wird.

    Und hoffe sehr, daß das dann nicht neo-maoistische sind oder solche, die sich den Islamisten anähneln (wie das bei den Hindu-Nationalisten, wie ich auch nur halbwisend weiß, wohl der Fall ist – daß auf Modernisierungs- und Industrialisierungsschübe IMMER nationalismusanaloge „Bewegungen“ folgen, ich zähle da die Pro-Westler ja auch zu, das ist Dir schon mal aufgefallen?). Die sind nämlich auch ’ne „neue, soziale Bewegung“ und nicht ein Rückfall in die Vormoderne.

    momorulez

    15. August 2007 at 7:42

  17. Zunächst ein paar Anmerkungen, was ich will oder nicht will: Ich habe kein Interesse daran, irgendwem sein Grundeinkommen oder seine soziale Bewegung zu versauen, zudem halte ich den gedanklichen Ansatz, nach menschlichen Kriterien zu wirtschaften und sich nicht Gesetzmäßigkeiten des Marktes zu unterwerfen für menschlich nachvollziehbar. Es entspricht einfach dem Empfinden vieler Menschen und auch demokratischen Vorstellungen zu meinen, auf die Art und Weise wie produziert wird, sollte man Einfluss haben, ja bis zur Funktionsweise der Wirtschaft allgemein.

    Warum ich den aus diesen Ansätzen, also durchaus auch aus demokratischen Ansätzen heraus entstandenen Bewegungen kritisch gegenüberstehe, hat zwei Gründe: Historische und wirtschaftliche. Historisch sind viele soziale Bewegungen in bizarren Diktaturen geendet, die dazu noch wirtschaftlich stets dem Klassenfeind unterlagen, die also, so die Beobachtung, am Ende auch nicht das erhoffte leisteten, höchstens rudimentär. Tritt man dagegen für die Freiheit ein, hat man auch im Rahmen korrigierender Eingriffe viel mehr Handlungsfreiheit als bei einer Planwirtschaft, die ja meistens ziemlich streng an einer ideologischen Linie entlang errichtet wurde. In dem Moment wo man einen Markt zulässt, der wirklich ein Markt ist, hat man aber auch die Notwendigkeiten zu berücksichtigen, die er vorgibt, damit es ein Markt ist. Kurzum: Ich glaube einfach, dass letztenendes freiheitliche Wirtschaftsansätze zu mehr Wohlstand für alle führen können und – auch wenn das nicht sofort ersichtlich ist – die Welt insgesamt eher voranbringen.

    Nicht aus Boshaftigkeit oder weil ich jemanden benachteiligen möchte, sondern weil ich nach den Beobachtungen bzgl. sozialistischer Ansätze wenig Vertrauen in deren Tauglichkeit habe. Wenn man sich dennoch auf so etwas wie Mindeststandards, vielleicht sogar global einigen könnte, warum nicht? Ich habe ja kein persönliches Interesse daran, dass jemand seinen Mindestlohn nicht bekommt. Wenn sich in China oder vielleicht sogar global Gewerkschaften etablieren, warum sollte ich das bekämpfen? Solange wie erwähnt keine bizarren Dikataturen und Bananenrepubliken entstehen, weil wieder irgendwer vorschnell an die vollmundigen Versprechungen eines Politikers glaubte, habe ich kein Problem damit. Die Menschen, auch anderswo auf der Welt, können ganz gut wirtschaften, wenn man sie lässt, wenn man solche Dinge wie Protektionismus sein lässt, macht man ihnen das Leben schon viel einfacher.

    Modernisierungs- und Industrialisierungsschübe IMMER nationalismusanaloge “Bewegungen” folgen, ich zähle da die Pro-Westler ja auch zu, das ist Dir schon mal aufgefallen?

    Es wird Dich nicht überraschen, das sehe ich anders. Prowestlich als politische Richtung kann nur die Befürwortung einer freien Wirtschaft und Gesellschaft sein, einer demokratischen Gesellschaft, die kein Überwachungs-, Polizeistaat o.Ä. ist, die durchaus multikulturell sein kann, jedenfalls kein Apartheitsstaat; nationalistisch ist die Forderung, nicht nur die multikulturelle Gesellschaft politisch zu gestalten, sondern ganz aufzuheben, etwa Muslime auszuweisen, jedenfalls eine Situation zu schaffen, in der geschlossene Lebensräume bestehen, ähnlich früherer, völkischer Auffassungen von Blut und Boden. Nationalistisch ist die Idee, das eigene Land und den eigenen Staat über andere zu erheben, die eigene Überlegenheit zu behaupten und dementsprechend aggressiv die eigenen Interessen durchzusetzen. Da es so etwas wie eine westliche Innen- und Außenpolitik wegen Zerstrittenheit nicht gibt, kannst Du auch so etwas wie einen westlichen Nationalismus nicht beobachten; es wäre dann jeweils ein deutscher Nationalismus, ein französischer u.s.w., ein prowestlicher ist es nicht. Dass sich einige Leute als prowestlich bezeichnen, die dann aber für ganz andere Ideen eintreten, die alles andere als westlich sind, ändert ja nichts an der Bedeutung von prowestlich.

    NUB

    15. August 2007 at 8:22

  18. PS: Nationalistisch ist auch Protektionismus, die Angst vor fremden Arbeitskräften, die uns die Arbeitsplätze nehmen; prowestlich ist näher an prokapitalistisch.

    NUB

    15. August 2007 at 8:29

  19. @NUB:

    Es gibt keinen Markt ohne Staat oder analoge Strukturen.

    Das ist historisch und faktisch Möglichkeitsbedingung von Märkten, sowas wie Staat, von märkten, so wie Du sie meinst, die über den reinen Tauschhandel zwischen Dörfern oder auch zwischen Stadt und Land oder auch zwischen Regionen mit je eigener Gerichtsbarkeit hinausgehen.

    Alleine schon drin liegt die Absurdität dessen, ständig den „wahren Markt“ zu fordern, den’s überhaupt nie irgendwo gegegeben hat. Und wenn man sich dem dann auch noch „unterwerfen“ soll, dann ist doch schon die Formulierung verräterisch.

    „Historisch sind viele soziale Bewegungen in bizarren Diktaturen geendet“

    Bzgl. der Französischen Revolution, die ja die eure war, stimmt das schon.

    Aber daß nun die US-Unabhängigkeitsbewegung (die übrigens antikolonial ausgerichtet war), die spätere Bürgerrechtsbewegung, die Arbeiterbewegung (jetzt komm mir nicht mit Rußland, das war eine Agrargesellschaft, China auch, und die DDR ist aufgrund des Krieges entstanden und nicht dank einer sozialen Bewegung), die Friedens-, Anti-AKW und Öko-Bewegung, die zur Gründung der GRÜNEN führte oder die DDR-Bürgerrechtsbewegung nun irgendwelche Diktaturen hervorgebracht hätten, das ist zumindest mir nicht bekannt.

    Und jetzt immer Kuba als Beispiel, ich weiß auch nicht, ob das ausreicht.

    Zum Pro-westlichen: Wenn man das, was Du schreibst, nicht z.B. im Sinne der Demokratie als Verfahren begreift, sondern als Ausfluß irgendeiner Kultur, dann ist das nationalismusanalog. Ansonsten ist’s schlicht universal und nicht westlich.

    Ich will Dir persönlich auch keine Boshaftigkeiten, Mißgunst oder sonstwas untersllen, bei Herrn Harnisch oder wie der heißt bin ich mir zumindest unsicher.

    Für eine Planwirtschaft würde ich ja auch nie eintreten, schon gar nicht für eine zentralistische, und sämtliche zumindest mir bekannte Sozialismus-Kritiken bauen ja auf einer Kritik dieses Zentralismus, der überbordenden Verwaltung und der umfassenden Planbarkeit auf.

    Was ich so vertreten würde, ist ja ein variierter Ordoliberalismus plus Grundsicherungsmodell, was dann aber durchaus auch die Sozialisierung von Wasser, Strom, Bildung und Gesundheitssystem einschließen würde.

    Und eben Schutzmaßnahmen, um z.B. ghanaische Bauern vor subventionierten Agrarimporten zu schützen.

    Das ist ja ein völlig anderes Modell als das, was z.B. Hayek kritisiert hat meines Wissens (der kommt hier als nächstes dran, und mit dem kann ich auch mehr anfangen als mit von Mises).

    Und ich bin mir verhältnismäßig sicher, daß gerade das, was in liberalen Blogs steht, annähernd durchgängig von dessen kritik betroffen ist, während z.B. die Alternativbewegung der frühen 80er von dessen kritik nicht erreicht werden kann. Warte mal ein paar Wochen, dann schreibe ich da was zu.

    momorulez

    15. August 2007 at 8:49

  20. Na ja, da http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_socialist_countries wird schon noch die eine oder andere soziale Bewegung mit im Spiel gewesen sein…. Natürlich haben gerade im afrikanischen und auch im arabischen Raum die imperialistischen Einflüsse von Großbritannien, Frankreich und der UdSSR Einfluss auf die Geschichte genommen und arab. Nationalisten und Sozialisten haben ja aus damaliger Sicht „westliche“ Ideologie importiert, die man dort heute als gescheitert betrachtet. Aber dass man Ideen importiert, verhindert ja andererseits auch nicht das eigene Denken. Und ein Agrarland zu sein auch nicht.

    Was ich so vertreten würde, ist ja ein variierter Ordoliberalismus plus Grundsicherungsmodell

    Dann bist Du ja fast schon FDP-kompatibel. Fast, weil einige FDP-Leute Dir beim Grundsicherungsmodell in die Suppe spucken. Du bist dann jedenfalls nicht mehr im marxistischen Lager beheimatet.

    NUB

    15. August 2007 at 9:10

  21. Na, das sind ja nur die politischen Forderungen.

    Marxist war ich aber tasächlich nie, wobei sich diagnostisch bei dem schon das eine oder andere dolle findet.

    So teile ich mit dem halt auch die Staats- und Bürokratie-Skepsis, die sich ja sowas von eindeutig bei Marx findet, würde die aber anders begründen, als Feld-, Wald und Wiesen-Liberale das so tun, eben nicht im Sinne von Wirtschaft, Markt und Eigentum – mir geht’s da eher um Menschen. Ich empfand Amartya Sens Titel „Ökonomie für die Menschen“ nie als plumpes Pathos.

    Wirtschaftsimmanent würde ich immer Möglichkeiten suchen, an die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung anzuknüpfen unter aktuellen Bedingungen. Und da liegt auch eigentlich der Hase im Pfeffer, im Agieren von Unternehmen,. Und das können nur die Belegschaften korrigieren, glaube ich …

    Und beschimpf mich bitte nie wieder als „Liberalen“ 😉 … früher hätte mich das nicht gestört, aber seitdem ich die im Netz so kenne, bei aller persönlichen Sympathie zum Teil: Nee, so denke ich bestimmt nicht. Dazu bin ich einfach nicht doktrinär genug.

    momorulez

    15. August 2007 at 9:21

  22. Nachtrag: Auf den Sen wäre ich aber auch nie gestoßen, wenn ich mich nicht so intensiv mit Statler und Rayson gestritten hätte, und dafür gebührt beiden schon ein „Dankeschön!“.

    momorulez

    15. August 2007 at 9:22

  23. Ins marxistische Lager gehören ja auch noch Modelle wie Rätekommunismus, Leute wie Luxemburg, Orwell usw., deren Sozialismus-Vorstellungen dezentral und basisdemokratisch waren, abgesehen davon, dass auch Anarchismus und Kibbuz Sozialismus sind. In diesem Bezugsrahmen bewegt sich eigentlich alles, was ich in nun 25 Jahren linker Biografie als westdeutsche linke Szene persönlich erlebt/kennengelernt habe. Was Anderes, nämlich zu China: http://www.materialien.org/worldwide/china/Literatur/chenundwu.html

    che2001

    15. August 2007 at 9:25

  24. Sind dann nicht Kibbuzze strukturell antisemitisch ? (… jetzt setzt bei gerade wieder das irre Gelächter ein …)

    Danke für den Link zu China, lese ich mal in Ruhe!

    MomoRulez

    15. August 2007 at 10:37

  25. Die heißen im Plural Kibbuzzim, by the way…

    che2001

    16. August 2007 at 6:23

  26. Och, wenn nur genügend Leute oft genug „Kibuzze“ sagen, dann heißt das auch irgendwann so 😉 …

    momorulez

    16. August 2007 at 8:28

  27. Das ist jetzt strukturell antisemitisch, weil Verhohnepiepelung der hebräischen Sprache. Wenn nur genügend Leute Salam aleikum sagen statt Shalom alachem oder Jehowa statt Jahwe, dann heißt das irgendwann auch so 😉 😉

    che2001

    16. August 2007 at 13:59

  28. Scheiße, was man auch macht und wie man sich auch wendet, irgendwie läßt sich das dann ja immer so drehen 😉 …

    momorulez

    16. August 2007 at 15:13

  29. Das ist der Trick beim strukturellen Antisemitismus 😉

    Palo mo, palo me, om mani padme hum, allein Buddha gewährt Erlösung.

    che2001

    16. August 2007 at 17:25

  30. @NUB:
    ich habe in texas mal marktwirtschaftliches leitungswasser probiert.
    seitdem weiß ich mein kommunales wasserwerk umso mehr zu schätzen.

    dein simples hohelied auf den markt kann ich einfach nicht teilen. mindestens da, wo ein so genanntes natürliches monopol vorliegt, hat er nichts verloren. und das betrifft dann schonmal so ziemlich den kompletten bereich der infrastruktur.

    darkrond

    20. August 2007 at 21:29

  31. Ich habe mal mit einem Weltbank-Granden im privaten Rahmen über marktwirtschaftliches Leitungswasser diskutiert. Das Gespräch endete damit, dass er sagte, die Brotpreissubventionen würden nur deshalb vom IWF bekämpft, weil man wolle, dass in den Ländern die Kugeln fliegen, schließlich ginge es ja darum, sie zu destabilisieren. Sehr aufschlußreich, wirklich. Seither brauche ich keine antiimperialistischen Theorietexte mehr zu lesen, um zu wissen, wie die Sirte tickt.

    che2001

    23. August 2007 at 12:56


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